Rezension
Zwei Frauen

von Diana Beate Hellmann
Bastei Lübbe Verlag, 557 Seiten
Preis: 9,99 €
Inhalt
Für die junge Ballettänzerin Eva Martin bricht die Welt zusammen, als sie die Diagnose erfährt: Krebs! In der Strahlenklinik muß sie das Zimmer mit einer jungen Frau teilen, die in allem ihr Gegenbild zu sein scheint: frech, selbstbewußt und ungebildet. Aber dann beginnt eine Freundschaft von ungewöhnlicher Tiefe…
Authentisch bis in die Details und mit atemberaubender psychologischer Spannung durchleuchtet dieser Roman alle Phasen einer Krebserkrankung und -therapie. Er enthält Einsichten über die Entstehung und den Umgang mit dieser Krankheit, die in dieser Schärfe nie zuvor artikuliert wurden.
Meine Meinung
Meine Mutter hat mir „Zwei Frauen“ innerhalb der letzten zehn Jahre schon mehrmals empfohlen und so habe ich vor einigen Tagen endlich begonnen, es zu lesen, als ich die Bücherregale bei mir zuhause verzweifelt nach etwas zum Lesen durchkämmt habe. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, außer, dass ich dankbar bin, dass mir das Buch mehr oder weniger zufällig in die Hände gefallen ist und ich so das Jahr 2016 mit einem derart fantastischen und einzigartigen Buch beginnen durfte.
Normalerweise interessieren mich derart „dramatische“ Romane wirklich nicht – wenn in einem Klappentext von einer schweren Krankheit und die Gefühle, die damit einhergehen lese, dann stelle ich das Buch normalerweise sofort wieder zurück. Ich mag einfach keinen Kitsch, und den gibt es bei solchen Büchern wirklich zuhauf. Nicht so bei „Zwei Frauen“ – ich wusste schon nach zwei Seiten, dass ich dieses Buch lieben würde.
Es ist von Anfang an wahnsinnig mitreißend, noch lange bevor Evas Erkrankung beginnt fiebert man bei jedem ihrer Schritte mit ihr mit. Obwohl das Buch zumindest in den Grundzügen eigentlich relativ vorhersehbar ist ist es doch schmerzhaft spannend und ich war mehr als nur einmal bis spät in die Nacht wach, weil ich es einfach nicht aus der Hand legen konnte.
Vor allem liegt das an Eva, die eine wunderbare Protagonisten ist – mit allerlei Ecken und Kanten, die sie wunderbar liebenswert machen. Ich habe mich selten derart mit einer Figur identifiziert, die anders als ich eigentlich gar nicht mehr sein kann – da man jeden ihrer Gedanken und Gefühle so direkt und nah miterlebt kann man gar nicht anders, als mit ihr zu fühlen. Beim Lesen habe ich oft vergessen, wie jung sie eigentlich ist, nur damit es mir dann in der nächsten Szene wiedermal schmerzhaft bewusst gemacht wurde, wenn sie auf eine schwierige Situation reagiert, wie es eben nur eine sehr behütet aufgewachsene 18-Jährige tun kann. Oft musste ich den Kopf über sie schütteln, aber viel öfter noch wollte ich sie fest in den Arm nehmen, weil ich sie so geliebt habe.
Auch ihre Krebserkrankung wurde ganz ohne Kitsch und Schönmalerei in all ihrer Schrecklichkeit dargestellt – wahrscheinlich liegt das daran, dass die Autorin selbst einmal Krebs hatte und wohl wusste, wovon sie spricht, was sich auch im Detailreichtum zeigt, mit dem Evas Therapie beschrieben wird. Ich konnte nicht anders, als mit ihr mitzuleiden, und obwohl die Krebsforschung inzwischen natürlich schon viel weiter ist als im Jahre 1976 und ich über viel, viel mehr Grundwissen verfüge als Eva es zu Beginn des Buches tut, habe ich beim Lesen dieses Buches noch eine ganze Menge gelernt.
Kurz – ich habe dieses Buch geliebt, wie ich selten ein Buch geliebt habe, und ich bin mir jetzt schon ziemlich sicher, dass es auf meiner 2016-Bestenliste landen wird. Warum gibt es also trotzdem nur 4 und keine 5 Sterne? Das liegt vor allem daran, dass es doch ein paar Dinge gab, die mir – obwohl sie für die Zeit, in der das Buch geschrieben wurde, wahrscheinlich typisch sind – irgendwie bitter aufgestoßen sind. Eva hat ein paar ziemlich esoterische und vor allem einige wirklich antiquierte Ansichten, die ich gerne als negatives Ergebnis ihrer konservativen Erziehung lesen würde, das aber innerhalb des Buches einfach nicht reflektiert wird. Vor allem ihre unterschwellig oft sexistischen Gedanken gegenüber anderen Frauen sind mir doch sehr auf die Nerven gegangen, und obwohl sie – die doch eigentlich so selbstbewusst und stark ist – sich ausgerechnet in einen Mann verlieben muss, der mit Sätzen wie „Im nächsten Leben will ich eine Frau werden – ohne Hirn lebt es sich so viel leichter!“ um sich wirft, ist mir absolut schleierhaft. Vor allem ist mir das aufgefallen, da ich den Roman selbst, mit seinen wahnsinnig gut ausgearbeiteten weiblichen Figuren, eigentlich eher feministisch lesen würde.
Was mir dafür aber – für die 70er wohl recht revolutionär – ganz gut gefallen hat war, dass Eva offen und eindeutig als bisexuell beschrieben wird. Man muss also mit diesen zeitbedingten Schwächen also wohl einfach klar kommen und sich dafür über die Stärken freuen – trotzdem sind mir diese Dinge oft genug negativ aufgefallen, dass ich das Buch nicht guten Gewissens mit vollen fünf Sternen bewerten kann.
Alles in Allem habe ich „Zwei Frauen“ wirklich, wirklich, wirklich gerne gelesen. Es ist eines dieser Bücher, die nicht nur unterhaltsam sind sondern einen irgendwie als Menschen einfach verändern, und das ist wahnsinnig toll. Ich kann es wirklich jedem nur empfehlen und bin unheimlich froh, es endlich gelesen zu haben.
mancheeey
Was für eine Flut an Posts in den letzten Tagen! Ich komme gar nicht mehr hinterher und morgen fängt doch die Uni wieder an :O
Ich finde es echt super, dass du auch solche älteren Bücher (oder eher unbekannte) vorstellst. Ich mag das supergerne ♥ Es ist einfach schön zu sehen was man „damals“ gelesen hat und was dementsprechend modern war und die Menschen bewegt hat. Es ist auch einfach etwas anderes Geschichten zu haben, in denen man nicht mal eben wen eine Nachricht geschrieben hat oder man im Internet etwas nachgeguckt hat.
Ich würde es jetzt nicht unbedingt lesen wollen, aber mich freut es, dass es dir gefallen hat und was für eine kleine Perle es ist 🙂